Nach der umstrittenen Verlängerung seines Vertrages will Sabes-Generaldirektor Florian Zerzer eine heikle Personalie durchziehen: Er will Patrick Franzoni, seinen Mann fürs Grobe im Masken-Skandal, mit einem Primariat belohnen.
von Artur Oberhofer
In Südtirol ticken die Uhren anders.
Zuerst wird der Vertrag mit einem Generaldirektor des Sanitätsbetriebes verlängert, der nachweislich negative Gutachten zu den Schutzmaterialien vertuscht, der Zeugen des U-Ausschusses im Landtag manipuliert, der korrekte Beamte unter Druck gesetzt und der den Einsatz von Schutzmaterialien erlaubt hat, von denen er wusste, dass sie schadhaft sind und nicht schützen.
Dieser Generaldirektor hat denn auch noch die Unverfrorenheit, ins (Staats-)Fernsehen zu gehen und die Landesregierung zu verhöhnen, indem er sagt: Die Verlängerung des Vertrages sei „ein Beweis dafür“, dass er „gut gearbeitet“ habe.
Zwar hat Landeshauptmann Arno Kompatscher dem Sabes-Generaldirektor nach dessen grenzwertigen Fernsehauftritt einen Maulkorb verpasst (der LH zu Zerzer: „Bis zu den Wahlen hältst du gefälligst den Mund“). Doch viele Menschen in Südtirol können nicht nachvollziehen, warum der Vertrag Florian Zerzers, der mit 14. Oktober dieses Jahres ausgelaufen wäre, verlängert worden ist.
Und jetzt kommt es noch dicker:
Denn ausgerechnet jener Mediziner, der in der Corona-Zeit Florian Zerzers Mann fürs Grobe war, Patrick Franzoni, soll neuer Primar des Notfalldienstes im Meraner Krankenhaus werden.
Der gelernte Geriater Franzoni soll mit diesem Primariat für seine nicht immer ganz koscheren Dienste in der Corona-Phase nun auch noch belohnt werden.
Eine Rückblende.
Anfang März 2020 überträgt Florian Zerzer dem Primar der Notfallmedizin. Marc Kaufmann, und dem (in Ärztekreisen nicht unumstrittenen) Italo-Schweizer Patrick Franzoni den außerordentlichen Koordinierungsauftrag für das Covid-19-Notfallmanagement in Südtirol.
Es ist eine politisch gewollte, also von Landesrat Thomas Widmann geforderte Ernennung. Bereits ernannte Fachleute (wie Sanitätsdirektor Pierpaolo Bertoli) müssen in die zweite Reihe zurücktreten.
Patrick Franzoni
Es verwundert nicht, dass ausgerechnet diese beiden Mediziner zu den wichtigsten Helfershelfern von Florian Zerzer in der Corona-Zeit und somit auch im Masken-Skandal werden.
Ein krasses Beispiel:
Als das Nachrichtenportal Salto.bz im Frühjahr 2020 aufdeckt, dass Generaldirektor Florian Zerzer die negativen Gutachten zu den OberAlp-Schutzmasken vertuscht hat, ist es Primar Marc Kaufmann, der Zerzer am Telefon fragt, „wie man dem“ Journalisten Christoph Franceschini „weh tun“ könnte.
Marc Kaufmann ist auch der Protagonist in der unglaublichen Geschichte der „fehlenden Null“. Anstatt 40.000 aseptische Schutzanzüge bestellt der Sanitätsbetrieb Südtirol bei OberAlp 400.000 Anzüge.
Der nicht unerhebliche Preis-Unterschied: 10 Millionen Euro!
Kein Problem für Zerzer und Kaufmann, zahlen ja nicht sie, sondern die Steuerzahler.
Noch brisanter ist die Rolle von Patrick Franzoni im Südtiroler Masken-Skandal. Der stellvertretende Covid-Einsatzleiter segnet nicht nur die Ausgabe von Schutzmasken ab, von denen er weiß, dass sie schadhaft sind.
Er selbst fälscht – wie im Enthüllungsbuch „Das Geschäft mit der Angst“ penibel rekonstruiert wird – sogar Gutachten („Erklärung zu Schadstoffen“) zu den OberAlp-Masken und ist hyperaktives Mitglied einer ad hoc ernannten „Expertenkommission“, die die Masken trotz der negativen Tests freigibt.
Auch reist Patrick Franzoni gemeinsam mit dem Landtagsabgeordneten Josef Unterholzner nach Stuttgart zum Testinistitut Dekra, um die OberAlp-Masken (die laut den Dekra-Gutachtern „Schrott“ waren) positiv testen zu lassen, damit sie endlich eingesetzt werden können.
Zu diesem Zweck – und um die Dekra-Tester in die Irre zu führen – lässt man sogar Masken (von Wien) nach Stuttgart liefern, die nie in Südtirol eingesetzt wurden.
Florian Zerzer
Kurzum: Patrick Franzoni ist in der Corona-Zeit Florian Zerzers Mann für besondere Einsätze.
Weil er die Drecksarbeit für den Chef verrichtet, soll Patrick Franzoni – wie Abhörprotokolle beweisen – belohnt werden. Mit einem Primariat.
Der Beleg für dieses Amigo-Szenario:
Am frühen Morgen des 14. Mai 2020, um 07.10 Uhr, führen Florian Zerzer und Patrick Franzoni ein Telefongespräch, das 20 Minuten lang dauert.
In diesem abgehörten Gespräch bedankt sich Zerzer bei seinem Mann fürs Grobe.
Ein Ausschnitt aus diesem Telefongespräch:
Florian Zerzer: Hör zu Patrick, noch eine Sache, die ich dir sagen wollte, jetzt, da wir nur zu zweit am Telefon sind … Wenn du daran interessiert bist, auch etwas anderes zu tun, im Sinne von Management und so weiter, gibt es natürlich immer und sogar sofort einen Platz für dich in der Generaldirektion oder in der Sanitätsdirektion, je nachdem, für was wir uns gemeinsam entscheiden.
Patrick Franzoni (hörbar überrascht): Danke … Danke.
Zerzer: Auf der zentralen Führungsebene brauchen wir gute und engagierte Leute wie dich. Leute, die auch strategisch denken …
Franzoni: Vielen Dank.
Zerzer: Wenn das für dich interessant wäre, auch heute, auch morgen, in einem Jahr, wann immer du willst. Du weißt, dass dir alle Türen offen stehen.
Franzoni: Danke, du kennst mich, ich bin ein aktiver Arzt ..[…].. Ich denke da an zwei Aktivitäten, und zwar in dem Sinne, dass ich immer noch ein Bein in der Notfallmedizin, die meine große Liebe ist, habe. Andererseits kann ich auch einen Beitrag im Bereich des Managements leisten. ..[…].
Zerzer: Ich meine, es gibt so viele Möglichkeiten, auch ein Primariat. ..[…].
Franzoni: Ein Primariat, das wäre eine gute Sache. Danke, das ist sehr freundlich von dir, ich fühle mich geehrt.
Zerzer: Du bist wirklich ein besonderer Mensch, du bist gut, du bist jemand, der so hart arbeitet, es ist ein Glück, jemanden wie dich in unseren Reihen zu haben, das ist das Thema, du brauchst uns nicht zu danken …
Das Angebot des Primariates durch Florian Zerzer ist kein Zufall.
Norbert Pfeifer
Zum Zeitpunkt dieses Job-Angebotes durch den Generaldirektor ist längst beschlossen, dass die Stelle als Leiter des Notfalldienstes am Krankenhaus Meran neu ausgeschrieben werden soll.
Patrick Franzoni hat dort als Notarzt gearbeitet, sich dann allerdings mit dem amtierenden Primar Norbert Pfeifer überworfen.
Der Plan Florian Zerzers, Patrick Franzoni für dessen Dienste mit einem Primariat zu belohnen, wird trotz der gerichtlichen Ermittlungen im Masken-Skandal und trotz der neuen Enthüllungen zur Rolle Zerzers und jener Franzonis im Südtiroler Masken-Skandal nicht fallengelassen. Im Gegenteil.
Das Auswahlverfahren für das Notfallmedizin-Primariat in Meran läuft inzwischen seit zweieinhalb Jahren und soll jetzt so abgeschlossen werden, wie man es im Mai 2020 am Telefon besprochen oder besser gesagt versprochen hat.
Die Fakten im Zeitraffer: Knapp ein Jahr nach dem schwulstigen Telefonat zwischen Florian Zerzer und Patrick Franzoni, am 27. April 2021, beschließt der Südtiroler Sanitätsbetrieb „eine öffentliche Kundmachung für die Erteilung eines Fünfjahresauftrages als Sanitäre/r Leiter/in – Arzt/Ärztin Direktor/in der komplexen Struktur Notaufnahme Krankenhaus Meran“ auszuschreiben.
Interessierte müssen bis zum 22. Juli 2021 ihre Bewerbung abgeben. Im Sanitätsbetrieb trudeln zwei Bewerbungen ein: jene des amtierenden Meraner Primars Norbert Pfeifer – und jene von Patrick Franzoni.
Dann aber gerät plötzlich Sand ins Getriebe.
Dafür gibt es zwei Gründe.
Zum einen wird im Sanitätsbetrieb klar, dass die Vorgangsweise der Primar-Ernennungen, wie man sie in Südtirol praktiziert, gegen die staatlichen Vorgaben verstößt. Wenig später wird diese Prozedur vom italienischen Höchstgericht gekippt und mehrere Ärzte bekommen vom Arbeitsgericht einen üppigen Schadenersatz für die entgangenen Aufstiegschancen zugesprochen.
Zum anderen aber erhalten die Verteidiger von Florian Zerzer und Patrick Franzoni Einblick in die Ermittlungsunterlagen. Dabei wird schnell klar, dass von den Ermittlern auch dieses Telefongespräch abgehört wurde – und damit Zerzers Job-Versprechen aktenkundig ist.
Weil er offenbar kalte Füße bekommt, setzt der Sabes-Generaldirektor die Umsetzung von Franzonis Beförderung erst einmal aus.
Wie in der öffentlichen Verwaltung üblich, werden auch im Sanitätsbetrieb nach Ablauf der Bewerbungsfrist die Unterlagen und Voraussetzungen der Bewerber überprüft. In der Folge beschließt die Sanitätsspitze die Zulassung zum Auswahlverfahren. Normalerweise vergehen zwischen dem Ende der Bewerbungsfirst und diesem Beschluss wenige Wochen. Doch in im Fall Franzoni ist alles anders. Die Zulassung der zwei Bewerber erfolgt erst 16 Monate später. Am 11. November 2022 beschließen Florian Zerzer & Co., Patrick Franzoni und Norbert Pfeifer zum Wettbewerb zuzulassen.
Marc Kaufmann
Danach passiert fast ein Jahr lang nichts mehr. Bis zum Dienstag dieser Woche.
In der Zwischenzeit wurden die Kriterien für die Auswahlverfahren und die Ernennung von Primaren durch ein Landesgesetz den staatlichen Bestimmungen angepasst. Das heißt: Eine eigene Wettbewerbskommission, die aus internen und externen Fachleuten bestehen muss, führt das Auswahlverfahren durch.
Die Mitglieder dieser Kommission werden ausgelost. Wobei sich die Kommissionsmitglieder vorher in eine entsprechende staatliche oder Landesliste eintragen lassen müssen.
Die Auslosung für das Meraner Auswahlverfahren findet am 9. März 2023 statt und geht so aus, wie Florian Zerzer und Patrick Franzoni es sich gewünscht haben.
Am 17. Oktober 2023 ernennen Florian Zerzer & Co. per Beschluss die Kommission für das Meraner Notfall-Primariat. Es sind dies: Sanitätsdirektor Josef Widmann, die Primaria der Notfallchirurgie am Krankenhaus Urbino, Sara Mazo, und der Direktor der Unfallchirurgie im Rehazentrum Bad Häring, Burkhart Huber.
Als viertes Kommissionmitglied wird zudem der Primar der Notfallmedizin am Krankenhaus Bozen, Marc Kaufmann, ausgelost.
Also ausgerechnet jener Mediziner, der als Chef der Covid-19-Taskforce Journalisten wehtun wollte; jener Sanitätsmanager, dem nicht aufgefallen ist, dass sein Betrieb 400.000 statt 40.000 Schutzanzüge bestellt; jener leitende Mitarbeiter, der als direkter Vorgesetzter von Patrick Franzoni über dessen „Heldentaten“ für Florian Zerzer Bescheid wusste und weiß.
Es gäbe bei Marc Kaufmann also Unvereinbarkeitsgründe zuhauf. Nicht aber für den Sanitätsbetrieb.
Der Hintergrund:
Die Akte Franzoni muss jetzt schnell über die Bühne gebracht werden. Denn Florian Zerzers verlängerter Vertrag verfällt spätestens am 25. Februar 2024.
Bis dahin will der Generaldirektor offenbar sein am Telefon gegebenes Versprechen einhalten – und Patrick Franzoni zu seinem Primariat in Meran verhelfen.
Florian Zerzer hätte damit ein weiteres Mal bewiesen, wie gut er arbeitet.
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Author: Johnny Walton
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