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Es gibt noch keine Niederlage im Wettbewerb


Die diesjährige IAA in München war ein Alarmsignal: Die traditionsreiche deutsche Schau wurde nicht nur unter der Hand die Automobilmesse der Chinesen genannt. BYD, seit Anfang des Jahres in Deutschland am Markt, und andere Anbieter aus dem Reich der Mitte präsentierten stolz ihre E-Fahrzeuge und stellten den einen oder anderen deutschen Hersteller damit deutlich in den Schatten. Fakt ist: VW und Co. sind in Sachen E-Autos im Hintertreffen und müssen sich nun ganz schön sputen.

Aktuell wirkt es aber eher so, als würde die einstige deutsche Vorzeigebranche wie das Kaninchen auf die Schlange starren. Im Reich der Mitte ist alles effizienter, innovativer und zukunftsträchtiger, heißt es wenig optimistisch. Steht die deutsche Automobil- und Zulieferindustrie, die besonders im Südwesten sehr stark ist, möglicherweise vor dem Aus? Dies war Thema des letzten Panels beim Bodensee Business Forum (BBF) am Donnerstag in Friedrichshafen. Eine dramatisch wichtige Frage, die Moderator Hendrik Groth, der Initiator des BBF bei Schwäbisch Media, aufwarf. Schließlich sind bundesweit gut eine Million Menschen in der Automobil- und Zulieferindustrie beschäftigt.

Erst ignoriert, dann unterschätzt und dann schlechtgeredet

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„Es gab vier große disruptive Veränderungen in der Automobilindustrie: Erst kamen die Japaner auf den deutschen Markt, später die Koreaner, dann Tesla und jetzt die Chinesen“, berichtet Thilo Ketterer. Der Wirtschaftsprüfer ist Partner bei „Rödl & Partner“ und berät namhafte europäische Unternehmen bei der Expansion nach und in China. Die deutschen Hersteller hätten bei jeder Disruption gleich reagiert, erinnert sich Ketterer: „Zuerst wurde der neue Wettbewerber ignoriert, dann unterschätzt, dann hat man die neue Konkurrenz schlechtgeredet und erst dann haben die deutschen Automanager kapiert, dass sie etwas tun müssen“, berichtet der Experte. Er hat aber auch eine gute Nachricht: „Bisher haben sie es immer geschafft, sich an eine neue Situation anzupassen.“

Doch gelingt dies auch dieses Mal? Harald Marquardt, Vorstandsvorsitzender der Marquardt-Gruppe, ist da nicht sonderlich optimistisch. Denn die Situation sei nun eine völlig andere, beobachtet der Chef des Familienunternehmens aus Rietheim-Weilheim bei Tuttlingen. Der Angriff der Japaner vor 30 Jahren sei ein wertvoller Weckruf gewesen, erinnert er sich. „Das hat uns über Jahrzehnte hinweg wettbewerbsfähig gemacht. Wir haben uns damals in der Branche unserer Stärken besonnen und uns auch Dinge von den Japanern abgeschaut“, erzählt der Inhaber des Zulieferers, der 2022 mit gut 10.000 Mitarbeitern 1,4 Milliarden Euro Umsatz gemacht hat.

Es drohen Wohlstandsverluste

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„Wir sind und waren eigentlich wettbewerbsfähig, wurden aber eines riesigen Vorteils beraubt: des Verbrennungsmotors“, sagt Marquardt über die heutige Situation. „Das, was wir hier in Deutschland am besten können, schaffen wir ab ‐ aus hehren Gründen zwar, aber ohne richtige Alternative“, kritisiert der Automotive-Manager. Die Rahmenbedingungen seien zu Lasten der deutschen Industrie verändert worden ‐ ohne einen Plan B zu haben. Ein späteres Ende des Verbrenners wäre sicher die bessere Lösung gewesen. Das sagt Marquardt im Namen der gesamten Branche, wie er betont, denn sein eigenes Unternehmen profitiere eher von der Transformation hin zum Elektroantrieb ‐ „sogar dramatisch“, wie Marquardt betont. Die Chance, gegenüber den Chinesen wieder aufzuholen, sei zwar gegeben ‐ jedoch verbunden mit schmerzhaften Anpassungsprozessen in der Automotive-Branche und vermutlich auch mit Wohlstandsverlusten.

„Der Wettkampf ist noch nicht verloren“, macht dagegen Jana Plananska, Expertin und unabhängige Beraterin für Smart- und Elektromobilität, Mut. Die Kunden hätten immer noch sehr großes Vertrauen in deutsche Autos. Aber sie wollten eben nicht nur SUVs, wie sie die Deutschen wegen der höheren Margen herstellen, sondern auch günstige E-Fahrzeuge und Familienautos.

Können nicht „allein die Welt retten und bekehren“

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Doch wie kann man den aktuellen Angriff der Chinesen abwehren? Zölle, wie sie jüngst EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erwogen hat, sieht die Expertenrunde kritisch. „Strafzölle auf chinesische E-Autos zahlen im Endeffekt die Verbraucher durch höhere Preise“, sagt Daniel Onggowinarso, Geschäftsführer des Caravaning Industrie Verbands, dessen Mitglieder sich ebenfalls der Transformation zum E-Antrieb stellen müssen. Zölle seien nicht der richtige Weg, sagt er ‐ insbesondere, wenn man bei den Rohstoffen von China abhängig sei.

Ganz ähnlich sieht es auch Marquardt: „Wenn wir in Europa Zölle auf chinesische Fahrzeuge erheben, werden die Chinesen das Gleiche tun ‐ und die Amerikaner auch.“ Viel besser wäre es, wenn die Unternehmen künftig weniger von der Politik in Berlin und Brüssel „gegängelt“ würden. „Wir haben zu viele Gesetze“, sagt der erfahrene Firmenlenker. Zudem sei Deutschland viel zu klein, um „allein die Welt retten und bekehren zu können“.

„Es wird weitergehen“

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Doch gibt es bei aller Sorge auch Grund zur Zuversicht? „Die deutsche Industrie hat sich immer wieder neu erfunden. Es wird weitergehen“, macht Caravan-Geschäftsführer Onggowinarso Mut. Und auch dieses Mal wird es sicher sinnvoll sein, sich ein Beispiel an den neuen Wettbewerbern zu nehmen. Die Chinesen orientierten sich ganz strikt daran, was die Kunden wünschen. „Dabei kommen Produkte heraus, bei denen man nur staunen kann“, berichtet Experte Ketterer. „Wir müssen China auch als Vorbild sehen und nicht nur als Rivalen“, ist sein Fazit.

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Author: Rachel Allen

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